Samstag, 2. November 2013

Asterix bei den Pikten


So richtig hatte ja keiner mehr auf ein neues Asterix-Abenteuer gewartet. Waren doch die Hefte nach dem allzu frühen Tod von René Goscinny erst langsam, dann immer schneller immer schlechter geworden. Geradezu verzweifelt hat der vom Texten und Geschichtenerfinden arg überforderte Zeichner Albert Uderzo versucht, die Serie am Leben zu halten. Und je verzweifelter er wurde, umso grausamer waren dann auch die Ergebnisse. Es wäre besser gewesen, Asterix schon vor Jahren in Würde sterben zu lassen. Irgendwann aber war der Ruf sowieso ruiniert, und dann kam es wohl schon gar nicht mehr drauf an. Treue Leser wie ich haben aus Gründen der Nostalgie trotzdem immer wieder wider besseres Wissen das jeweils neueste Heft gekauft, nur um dann doch immer wieder aufs Neue enttäuscht zu werden.

Jetzt aber hat sich Uderzo (Teutates sei Dank!) doch in den Ruhestand zurückgezogen und sein Lebenswerk in andere Hände übergeben. Asterix bei den Pikten wird getextet von Jean-Yves Ferri und gezeichnet von Didier Conrad. Schlechter konnte es nicht werden, es gab also nichts zu verlieren. Aber wird es mit dem neuen Heft wieder besser?

Mit drei Worten: im Prinzip ja. Die beiden Neuen haben auf albernen Firlefanz wie die Außerirdischen in Gallien in Gefahr verzichtet und erzählen eine recht konventionelle Reise nach Kaledonien, also das heutige Schottland. Der Schottland-Freund freut sich über Hochlandrinder und Papageientaucher, und das eine oder andere Schaf und der eine oder andere fliegende Baumstamm und natürlich jede Menge Kilts sorgen ebenfalls für korrektes Lokalkolorit. Gags, wie den Pikten die Erfindung der Piktogramme zuzuschreiben, sind durchaus witzig. Leider hat sich auch überflüssiger Unfug wie das fast touretteartige Krähen von Popsongs (ein Weihnachtslied ist auch dabei) des piktischen Heldens Mac Aphon (müsste es nicht MacAphon heißen?) in das Heft geschlichen. Und wieso heißt Nessie hier Fafnie (also Fafnir)? Hier werden mit Gewalt Mythen zusammengepanscht, die nicht zusammengehören. Oder habe ich die Pointe nicht verstanden? Aber egal, Schwamm drüber. Denn das neue Heft ist alles in allem nicht weltbewegend, aber durchaus unterhaltsam, und da wollen wir uns nicht mit Kleinigkeiten aufhalten.

Ja, im Prinzip ist es also besser geworden. So richtig toll ist es aber nicht. Die Story ist nur mäßig originell, der Inhalt der Geschichte fast schon zu übersichtlich, die Pointen sind nicht zwingend witzig, die beliebten Running Gags der Serie wirken teilweise ziemlich aufgesetzt, nachgerade wie mit Gewalt integriert. Als hätte es eine Liste gegeben, bei der man dann abgehakt hat, was alles erledigt wurde. Ständig hatte ich das Gefühl, ja, das ist alles okay, die beiden Herren haben ihre Hausaufgaben gemacht, aber der Funke springt nicht richtig über.

Vergleicht man das neue Heft repräsentativ mit dem Heft, bei dem sich ein Vergleich am meisten aufdrängt, nämlich Asterix bei den Briten, merkt man schnell, was fehlt. Zum einen ist hier die Handlung viel interessanter und abwechslungsreicher, auf 48 Seiten werden deutlich mehr Wendungen untergebracht. Zum anderen werden die Eigenheiten der Briten viel liebevoller und ausführlicher aufgespießt als die der Pikten (okay, die Briten mögen mehr hergeben). Alleine schon, wie die Briten reden, macht das Heft zum Vergnügen. Und: Trinken die Briten ständig heißes Wasser (meist mit einem Tropfen Milch; am Ende des Heftes erfährt man dann sogar noch, dass der Tee durch Asterix ins Land kam), betrinken sich die Pikten mit Malzwasser. Das eine ist geistreich und witzig, das andere nur platt. Und sehen die Briten wirklich alle typisch britisch aus, kann man das bei den Pikten eher nicht sagen. Hier wähnt man sich teilweise eher bei den Goten. Mit anderen Worten, dem neuen Heft fehlt die Raffinesse und das Subtile, das man bei den alten Asterix-Heften so liebte.

Sehen wir Asterix bei den Pikten also als nur sehr bedingt gelungenen Neuanfang, der aber besser ist als die letzten Solo-Werke von Uderzo und für die Zukunft trotz aller Kritik optimistisch macht. (Oder will ich einfach nur optimistisch sein? Auszuschließen ist es nicht.) Wenn Messieurs Ferri et Conrad entspannter werden, wenn vielleicht Monsieur Uderzo nicht mehr die Entstehung überwacht (man weiß ja nicht, inwieweit er da noch reingeredet hat), wenn sie nicht mehr mit Gewalt alles ins Heft pressen wollen, was in ein Asterix-Heft gehört und stattdessen lieber an einer originelleren Story mit mehr Detailreichtum feilen, könnte das was werden.