Sonntag, 20. September 2015

Gute Menschen vs. Gutmenschen. Eine Differenzierung.

Es ist wie so oft. Ein Begriff entsteht, bekommt warum auch immer eine negative Konnotation, dann setzt die Gegenbewegung ein. So ist es auch beim Gutmenschen. Nachdem dieser in Verruf geraten war, setzt er jetzt zur Gegenoffensive an und fragt gekränkt, was denn falsch daran sein könne, ein guter Mensch zu sein. Dabei ist es ganz einfach. Ein Gutmensch ist, auch wenn die Grenzen wie so oft im Leben ein wenig fließend sind, etwas ganz anderes als ein guter Mensch. Ich versuche mal eine Definition. Als Wedernoch habe ich die nötige Distanz zu beiden Gruppen.

Ein guter Mensch ist freundlich, rücksichtsvoll, zuvorkommend und hilfsbereit. Er hilft, um zu helfen, und das unaufdringlich, ohne großes Gedöns zu machen. Er fragt sich selbst, was er tun kann, und belehrt nicht andere, was sie zu tun hätten. Er tut auch mal nichts, wenn es sinnvoller ist, nichts zu tun. Es geht ihm um die Sache, nicht um ihn selbst. Er ist bei Bedarf für andere da, ohne eine Gegenleistung zu erwarten, auch wenn keine Freundschaft im Spiel ist. Der gute Mensch kümmert sich um andere, schenkt vielleicht nur etwas Zeit, wo sonst niemand Zeit schenkt. Darüber verliert er wie gesagt keine großen Worte. Es reicht ihm, geholfen zu haben. Und so weiter, und so fort, das ist recht gradlinig und reicht an Definition. Sie verstehen, worauf ich hinaus will.

Ganz anders der Gutmensch. Wobei es hier ebenfalls zwei Ausprägungen zu unterscheiden gilt: den naiven und den selbstgefälligen, selbstgerechten Gutmenschen. Natürlich kann man sie nicht sauber trennen, die Grenzen sind erneut fließend, es ist im Grunde wie bei verschiedenen Fraktionen einer Partei.

Beginnen wir mit dem Gutmenschen, der eher aus der naiven Ecke kommt. Mit stoischer Unbelehrbarkeit sieht er immer nur das Gute im Menschen. Oft handelt es sich um einen im Prinzip guten Menschen, der sich aber nicht vorstellen kann, dass der überwiegende Teil der Menschheit nicht ganz so gut ist. Für alles und jeden hat er Verständnis und eine Erklärung, die nur das Positive sieht. Für jede Untat findet er eine Entschuldigung. Man kann ihm noch so oft erklären, dass man das Schlechte meist nur mit robusten Mitteln besiegen kann, und er wird oder will es nicht verstehen. So ist er mitschuldig daran, wenn das Schlechte die Überhand gewinnt. Ständig fordert er Dinge zur Verbesserung der Welt, die man im Prinzip sofort unterschreiben könnte, würden nicht lästige Details wie z. B. die praktische Durchführbarkeit oder möglicherweise zu erwartende Folgen dagegen sprechen. Diese Details und mühsames Abwägen von Pro und Contra überfordern den naiven Gutmenschen.

Kommen wir zur selbstgefälligen, selbstgerechten Variante des Gutmenschen. Dieser wird schon mit der Moralkeule in der Hand geboren. Seine überlegene Moral trägt er wie eine Monstranz unübersehbar vor sich her. Er macht nie einen Hehl daraus, wie gut er ist, sondern brüllt es unüberhörbar in die Welt. Vom hohen Ross herab predigt er, wie sich andere korrekterweise zu verhalten haben. Geschmeidig passt er sich den ständig neuen Anforderungen der Political Correctness an, flink erteilt er Denkverbote, wenn ihm die Gedanken nicht gut genug erscheinen. Er ist gut informiert, was aktuell als moralisch einwandfrei gilt – da ist er immer auf der sicheren, weil unangreifbaren Seite. Selbst aktiv wird er konsequenterweise eher selten, weil er völlig damit ausgelastet ist, anderen gute Ratschläge für moralisch einwandfreies Handeln zu geben. Wenn er dann doch mal aktiv wird, belehrt er andere, die schon lange aktiv sind, wie sie vorzugehen haben. Und natürlich drängt er sich in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Denn es geht dem selbstgefälligen Gutmenschen immer um sein Ego, niemals um die Sache. Und extrem wichtig ist ihm natürlich auch das gute Gewissen, das er sich durch sein Tun sichert.

Mit anderen Worten: Der Gutmensch, welcher Art auch immer, ist in Wahrheit ein ziemlich schlechter Mensch. Wir sollten nicht länger zulassen, dass die Taten guter Menschen mit dem Werk der Gutmenschen gleichgesetzt werden. Die Präzision bei der Wortwahl kann ein erster Schritt dazu sein.