Ein guter Mensch ist freundlich, rücksichtsvoll, zuvorkommend und hilfsbereit. Er hilft, um zu helfen, und das unaufdringlich, ohne großes Gedöns zu machen. Er fragt sich selbst,
was er tun kann, und belehrt nicht andere, was sie zu tun hätten. Er tut auch
mal nichts, wenn es sinnvoller ist, nichts zu tun. Es geht ihm um die Sache,
nicht um ihn selbst. Er ist bei Bedarf für andere da, ohne eine Gegenleistung
zu erwarten, auch wenn keine Freundschaft im Spiel ist. Der gute Mensch kümmert
sich um andere, schenkt vielleicht nur etwas Zeit, wo sonst niemand Zeit
schenkt. Darüber verliert er wie gesagt keine großen Worte. Es reicht ihm,
geholfen zu haben. Und so weiter, und so fort, das ist recht gradlinig und reicht
an Definition. Sie verstehen, worauf ich hinaus will.
Ganz anders der Gutmensch. Wobei es hier ebenfalls zwei Ausprägungen
zu unterscheiden gilt: den naiven und den selbstgefälligen,
selbstgerechten Gutmenschen. Natürlich kann man sie nicht sauber trennen, die
Grenzen sind erneut fließend, es ist im Grunde wie bei verschiedenen Fraktionen
einer Partei.
Beginnen wir mit dem Gutmenschen, der eher aus der naiven
Ecke kommt. Mit stoischer Unbelehrbarkeit sieht er immer nur das Gute im
Menschen. Oft handelt es sich um einen im Prinzip guten Menschen, der sich aber
nicht vorstellen kann, dass der überwiegende Teil der Menschheit nicht ganz so
gut ist. Für alles und jeden hat er Verständnis und eine Erklärung, die nur das
Positive sieht. Für jede Untat findet er eine Entschuldigung. Man kann ihm noch
so oft erklären, dass man das Schlechte meist nur mit robusten Mitteln besiegen
kann, und er wird oder will es nicht verstehen. So ist er mitschuldig daran,
wenn das Schlechte die Überhand gewinnt. Ständig fordert er Dinge zur
Verbesserung der Welt, die man im Prinzip sofort unterschreiben könnte, würden
nicht lästige Details wie z. B. die praktische Durchführbarkeit oder
möglicherweise zu erwartende Folgen dagegen sprechen. Diese Details und mühsames
Abwägen von Pro und Contra überfordern den naiven Gutmenschen.
Kommen wir zur selbstgefälligen, selbstgerechten Variante
des Gutmenschen. Dieser wird schon mit der Moralkeule in der Hand geboren.
Seine überlegene Moral trägt er wie eine Monstranz unübersehbar vor sich her. Er
macht nie einen Hehl daraus, wie gut er ist, sondern brüllt es unüberhörbar in
die Welt. Vom hohen Ross herab predigt er, wie sich andere korrekterweise zu verhalten
haben. Geschmeidig passt er sich den ständig neuen Anforderungen der Political
Correctness an, flink erteilt er Denkverbote, wenn ihm die Gedanken nicht gut
genug erscheinen. Er ist gut informiert, was aktuell als moralisch einwandfrei gilt
– da ist er immer auf der sicheren, weil unangreifbaren Seite. Selbst aktiv
wird er konsequenterweise eher selten, weil er völlig damit ausgelastet ist,
anderen gute Ratschläge für moralisch einwandfreies Handeln zu geben. Wenn er
dann doch mal aktiv wird, belehrt er andere, die schon lange aktiv sind, wie
sie vorzugehen haben. Und natürlich drängt er sich in den Mittelpunkt der
Aufmerksamkeit. Denn es geht dem selbstgefälligen Gutmenschen immer um sein
Ego, niemals um die Sache. Und extrem wichtig ist ihm natürlich auch das gute
Gewissen, das er sich durch sein Tun sichert.
Mit anderen Worten: Der Gutmensch, welcher Art auch immer,
ist in Wahrheit ein ziemlich schlechter Mensch. Wir sollten nicht länger
zulassen, dass die Taten guter Menschen mit dem Werk der Gutmenschen gleichgesetzt
werden. Die Präzision bei der Wortwahl kann ein erster Schritt dazu sein.