Montag, 26. September 2016

Emotionen und so weiter

WARNUNG. Hier folgt Jammern auf hohem Niveau. Wenn Sie sowas noch nie leiden konnten, sollten Sie sich rasend schnell aus diesem Text verabschieden.

Um rasend schnelle Dinge geht es hier auch.

Wir sind nämlich beim Motorsport, genauer gesagt beim Motorsport im TV und warum er manchmal so wahnsinnig nervtötend ist. Und damit meine ich nicht die Qualität des Sports, die von Rennen zu Rennen variiert, was in der Natur der Sache liegt und schon immer so war. Ich meine vielmehr ganz profan die Qualität der Übertragungen.

[Exkurs „Jammern auf hohem Niveau“. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich bei den Übertragungen viel getan. Früher waren diese teils sehr zähe Angelegenheiten, bei denen während etwa 95 % des Rennens der Führende gezeigt wurde, selbst wenn hinten im Feld die aufregendsten Positionskämpfe passierten. Wenn dann noch der Führende aus dem Land stammte, in dem man gerade fuhr, war es noch viel schlimmer. Das hat sich heute geändert. Und die Anzahl der Kameras, die das Geschehen einfangen, war im Vergleich zu heute minimal, an On-Board-Kameras war nicht zu denken. Eigentlich ist also alles besser. Aber es ginge noch viel, viel besser.]

Und weil wir hier über On-Board-Kameras reden, fangen wir am besten gleich mit denen an. Ja, die sind unbedingt eine Bereicherung. Sie sind aber in ihrem inflationären Gebrauch lästig und vor allem werden sie arg überschätzt. Da sieht man viel zu oft bei spannenden Duellen nur den sturen Blick nach vorne aus dem Auto, obwohl die Kameras am Streckenrand viel mehr zeigen würden. Aber die Regisseure sind so verliebt in die On-Board-Kameras, dass sie es wohl nie begreifen werden. Weniger wäre hier sehr viel mehr.

Dann die Obsession der Regie mit Boxenstops. Ich will hier nicht über den Sinn und Unsinn von Boxenstops und Pflichtboxenstops bei Sprintrennen philosophieren. Aber ist ein solcher Stop wirklich interessanter als die Action auf der Strecke? Egal, wie packend ein Rennen ist – fährt ein Auto in die Box, wird reflexartig der Stop gezeigt. Kommen Sie mir jetzt nicht damit, dass auch Motorsport ein Teamsport ist bla, bla, bla. Im Motorsport geht es primär um Racing, nicht um den schnellsten Reifenwechsel. Wer das interessant findet, ist eigentlich kein Motorsport-Fan. Klar, kann man mal zeigen, gerne auch bei lustigen Missgeschicken, aber doch bitte nicht jeden einzelnen Stop. Wenn die Boxenstops heutzutage tatsächlich faszinierender sind als die Rennen, ist es vielleicht an der Zeit, den Motorsport einzustellen. (NB: Wir reden hier nicht von Langstreckenrennen. Da gehören Boxenstops natürlich dazu.)

Oder die Zonen mit gelber Fahne, in denen nur langsam gefahren werden darf. Könnte man ja eigentlich ignorieren und sich auf den Rest der Strecke konzentrieren, wo das Rennen weitergeht. Könnte man, tut man aber nicht. Autos in gefühlt Schrittgeschwindigkeit sind ja auch so viel aufregender. Gerade die Regie bei der DTM tut sich hier immer hervor.

Nachgerade entnervend ist es dann aber, wenn auf der Strecke interessante Dinge passieren, die Regie aber lieber die zu den Autos gehörenden Teams bzw. deren Gesichter bzw. die auf den Gesichtern zu erkennenden Emotionen zeigt. Wahrscheinlich hat mal jemand in einem Seminar gelernt, dass die Zuschauer Emotionen sehen wollen, warum auch immer. Also werden die Zuschauer jetzt mit Emotionen überschwemmt. Nur, dass sie dann leider nicht sehen können, worauf sich diese Emotionen beziehen. Momente, in denen man den Fernseher anbrüllen möchte und das dann auch tut. Natürlich könnte man erst zeigen, was gerade so aufregend ist, und dann das eine oder andere emotional bewegte Gesicht nachreichen, wenn es denn unbedingt sein muss. Tut man aber nicht. Emotionen live, Racing mit Verzögerung. Pah! Bleiben Sie mir fort mit Emotionen! International führend bei dieser Unsitte ist die Regie der WTCC.

So. Sucht vielleicht jemand einen Motorsport-Regisseur? Ich würde alles besser machen. Angebote bitte per E-Mail.