Mittwoch, 20. März 2013

Wandteller

*Klingeling*
*Türaufmach*
„Guten Tag, Schmitz mein Name. Ich bin wegen des ersteigerten Wandtellers hier. Auf ebay.“
„Ach ja, natürlich, kommen Sie rein.“
„Bei drei Euro fünfzig wollte ich das Porto sparen, wäre ja doppelt so teuer gewesen.“
„Ja, klar. Verstehe ich. Ich hatte Sie nur noch nicht so früh erwartet.“
„Pardon. Aber ich konnte die Fahrtzeit nur schlecht einschätzen. Wissen Sie, ich komme aus Kassel, da ist das nicht ganz so leicht.“
„Aus Kassel fahren Sie nach Frankfurt???“
„Naja, ist ja auch ganz schön, mal rauszukommen.”
„Ach …“
„Ja, also …“
„Darf ich Ihnen was zu trinken anbieten? Vielleicht einen Kaffee?“
„Wenn Sie vielleicht einen Tee für mich hätten? Natürlich nur, wenn es keine Umstände macht.“
„Ja, äh, nein, natürlich nicht, gern. Nehmen Sie doch Platz, kommt sofort.“
„Earl Grey, wenn Sie haben. Und nicht zu lange ziehen lassen.“
„Ginge auch Grüner Tee?“
„Na ja, zur Not, selbstverständlich. Wie gesagt, machen Sie sich bitte keine Umstände.“
„Nein, nein, sind keine Umstände.“
„Bitte mit Honig süßen. Wenn es keine Umstände macht.“
„Ja, gerne … so, einmal Tee mit Honig.“
„Vielen Dank. Äh, vielleicht noch etwas mehr Honig? Ich bevorzuge meinen Tee etwas süßer, und wo es doch eh nicht der Tee ist, denn ich am liebsten trinke. Aber machen Sie sich keine Umstände.“
„So, hier der Honig. Wenn Sie sich vielleicht einfach selbst bedienen möchten.“
„Vielen Dank!“
„Ich hol dann mal den Wandteller.“
„Ich will Ihnen keine Umstände machen, aber wenn Sie vielleicht etwas Gebäck zum Tee für mich hätten? Als kleine Stärkung vor der Rückfahrt, Sie verstehen.“
„Ja, natürlich. Moment, hier, feine Butterkekse.“
„Ach, das können Sie nicht wissen, die mag ich so gar nicht. Die musste ich bei meinen Großeltern immer essen, bis zum Erbrechen, bin quasi traumatisiert. Vielleicht, also wenn es keine Umstände macht, eine andere Sorte? Am liebsten mit Schokolade! Schokoladentorte wär auch recht.“
„Nein, die Butterkekse sind die einzigen, die ich dahabe, tut mir leid.“
„Ist vielleicht ein Geschäft in der Nähe, dass Sie da also schnell mal hinspringen und Schokoladenkekse kaufen könnten? Es darf natürlich keine Umstände machen.“
„Nein – es – ist – kein – Geschäft – in – der – Nähe.“
„Oh bitte, wirklich, ich wollte doch echt keine Umstände machen.“
„Machen Sie nicht. Wenn wir jetzt vielleicht zum Geschäftlichen kommen könnten?“
„Aber natürlich, deswegen bin ich doch hier. Ach, ich seh schon, ich mache Umstände, vielleicht wäre per Post doch besser gewesen.“
„Neinnein, Sie machen keine Umstände. Moment … so, hier ist das gute Stück.“
„Ach, das hatte ich mir aber ganz anders vorgestellt. Viel größer, und auch von den Farben her … Sie wissen schon … eher viel bunter.“
„Tja, was soll ich da jetzt zu sagen.“
„Ich weiß nicht … das Bild war vielleicht nicht sooo gut?“
„Das Bild war sehr gut, und ich hatte auch die Maße dazugeschrieben.“
„Ich weiß nicht … würden Sie freundlicherweise mal Ihren Computer anmachen, dann können wir auf ebay gehen und direkt vergleichen. Natürlich nur, wenn es keine Umstände macht.“
„Doch, es macht Umstände.“
„Aber dann könnten wir sehen, wo der Fehler liegt!“
„Ich bitte Sie, Sie haben das Teil für lausige 3,50 Euro ersteigert, was soll das jetzt?“
„Aber was soll ich mit einem Teller, der mir im Prinzip nicht zu hundert Prozent gefällt? Also machen Sie jetzt den Rechner an?“
„Sie machen Umstände!“
„Aber es macht doch keine Umstände, mal eben den Rechner anzuwerfen! Vielleicht täusche ich mich ja und das Bild war exakt richtig. Das Gedächtnis, Sie wissen schon.“
„Nein, weiß ich nicht. Also in Gottes Namen …“
„Aber nur, wenn es keine Umstände macht.“
„Ich mach ja schon. Sie werden sehen …“
*Rechnerhochfahr*
*Tastaturklimperklimperklimper*
„So, bitte schön, Bild entspricht genau dem Teller. Maße stimmen auch.“
„Also ich weiß nicht. Die Farben mögen halbwegs okay sein, aber ich hatte mir den Teller wirklich größer vorgestellt. Obwohl Sie die Maße offenbar korrekt angegeben haben, ich will das jetzt nicht nachmessen, das wäre kleinlich. Sie hätten vielleicht eine Streichholzschachtel oder ein Buch mitfotografieren sollen, dann hätte man gut gesehen, wie groß der Teller wirklich ist. Aber das hätte wahrscheinlich Umstände gemacht.“
„Wissen Sie was, ich schenke Ihnen den Teller, das ist mir jetzt zu blöde.“
„Das ist sehr kulant, aber wissen Sie, wie viel Benzin ich verfahren habe? Selbst mit einem kostenlosen Teller lege ich da doch ohne Ende drauf.“
„Was? Wie? Soll ich Ihnen jetzt vielleicht noch Benzingeld erstatten?“
„Korrekt wäre das schon … natürlich nur, wenn es keine Umstände macht.“
„Doch!!! das!!! macht!!! Umstände!!!“
„Ich bitte Sie, was hab ich denn jetzt schon wieder gesagt?“
„Nehmen Sie bitte einfach den Teller und gehen Sie! Bitte gehen Sie!“
„So einfach kann ich Ihnen das jetzt aber nicht machen.“
„Gehen Sie! Bitte gehen Sie! Und hier haben Sie 50 Euro für Ihr Benzin.“
„Das wird nicht ausreichen bei den Benzinpreisen heutzutage. Der Verschleiß bei meinem Auto, und denken Sie an die vergeudete …“
*Zischdoingbummklirr*

„Hallo, Polizei? Es ist ein Unglück geschehen. Ich habe soeben jemanden mit einem Teller erschlagen.“