Freitag, 5. August 2011

Erodierende Gewissheiten 9

Manchmal kommt es vor, dass ich der gleichen Meinung wie die volksmeinungsbildende bzw. volksmeinungsaufgreifende Krawallzeitung mit den vier großen Buchstaben bin, die ich hier nicht durch Erwähnung des Namens aufwerten will. Das ist dann zuverlässig der Anlass für mich, meine Meinung nicht unbedingt reflexartig zu ändern, aber doch wenigstens zu überdenken. So auch diese Woche, als einem Kindsmörder, den ich hier nicht durch Nennung seines Namens aufwerten will, eine Entschädigung zugesprochen wurde, weil man ihm im Verhör mit Gewalt gedroht hatte.

War ich also zuerst ebenfalls total empört, erodierte meine Gewissheit immer mehr, bis ich das Urteil brillant fand. Es sagt eindeutig, dass Folter in diesem Land nicht zu tolerieren ist. Das unterscheidet uns von viel zu vielen anderen Ländern. Die Entschädigungssumme ist aber sehr gering („Ja, dir steht offiziell was zu, aber wir alle wissen, dass du eigentlich einen Tritt in die Eier verdient hast.“), wird durch den Abzug von 4/5 der Prozesskosten noch geringer, und was übrig bleibt, geht direkt an die Staatskasse wegen Schulden aus dem Mordprozess. Man kann das vielleicht mit 10 Cent Trinkgeld vergleichen, die viel beleidigender sind, als gar kein Trinkgeld zu geben. Gleichzeitig, aber da interpretiere ich möglicherweise zuviel in das Urteil hinein, bedeutet der geringe Betrag, dass in diesem bestimmten Fall die Schuld der Polizisten eine sehr relative ist.

Bleiben zwei Hoffnungen. Die eine, dass man uns in Zukunft in der Presse den Anblick des Mörders erspart – was die Angehörigen des Opfers dabei empfinden, will man sich gar nicht vorstellen. Die andere, dass in vergleichbaren Fällen Polizisten am Werk sein werden, die ebenfalls mutig genug sind, sich über bestehendes Recht hinwegzusetzen, um möglicherweise das Leben eines Kindes zu retten.

PS: Man entschuldige diesen Ausrutscher ins ernsthafte Genre. Es soll so bald nicht wieder vorkommen.