Denn der Reiz des Zugfahrens verfliegt zügig, wenn man über
einen längeren Zeitraum gezwungen ist, den ÖPNV – in meinen Fall RMV/HLB – zu nutzen.
Bei mir besteht der Zwang in der monatelangen Spanne vom Ableben des alten bis zur Lieferung des neuen Autos. Schon seit Monaten nutze ich also den
Zug von meinem Taunusdorf mit Umsteigen im Hauptbahnhof Ffm. zur Arbeitsstelle
südlich von Frankfurt.
Kaum ein Tag vergeht ohne Unpünktlichkeit. Würdeloses Rennen vom
einen Ende des Hauptbahnhofs Frankfurt/Main zum anderen ist die Regel, vor allem abends. Der
ständige Blick zur Uhr, ob der Anschlusszug trotz prinzipiell mehr als ausreichender Zeit zum Umsteigen noch zu schaffen ist, wurde längst zur
Routine. Meistens klappt es total außer Atem doch noch, aber nicht immer.
Das bedeutet dann knapp 30 Minuten Zeit totschlagen im Bahnhof. Es kam auch schon
vor, dass ein Zug einfach gestrichen wurde. Vergeht mal eine Fahrt ohne
Probleme, weiß man schon ganz genau, dass man dafür bei der nächsten Fahrt mit umso dramatischerem
Ungemach bestraft wird. Wer nur halbwegs Wert auf Zuverlässigkeit legt, hat beim ÖPNV ganz schlechte Karten.
Oft wird man von der Bahn sogar über Verspätungen oder
andere Unregelmäßigkeiten informiert. Zumindest ist der Wille zu erkennen. In
der Regel kann man aber nur ein „krkkchkkkkrrchkkr“ oder so ähnlich verstehen,
weil die Qualität der meisten Bahnhofslautsprecher unter aller Sau ist. Und versteht man dann mal eine Durchsage, ist das auch eher schädlich. Wenn einen nämlich der Lautsprecher darauf hinweist, dass der Zug ausfällt, das von der Leuchtanzeige sogar noch bestätigt wird, man dann den Bahnsteig verlässt, um sich über Alternativen zu informieren, dann der Zug aber doch kommt und einem, während man zum Gleis zurückrennt, vor der Nase wegfährt. Das ist genau so passiert. Kannste dir nicht ausdenken.
Die Züge von meinem Taunusdorf nach Frankfurt und zurück sind
grundsätzlich überfüllt, fast immer fehlt mindestens ein Wagen. Hauen und Stechen unter den Fahrgästen, um vielleicht doch noch einen der kostbaren Sitzplätze zu
ergattern, ist da vorprogrammiert. Ja, das ist dem Sparen geschuldet, aber so
vergrault man die Kundschaft und der Betrieb wird noch defizitärer. Ob das klug
ist?
Nicht zu vergessen die Fahrkartenautomaten. Jeder weiß,
dass die nur für Eingeweihte problemlos zu bedienen sind, aber das lernt man
nach wenigen Monaten, und dann kann man sogar anderen bei der Benutzung helfen.
Leider sind die Automaten aber auch nicht sehr zuverlässig. Mal kommen 5 Cent
zu wenig Wechselgeld heraus, mal funktioniert der Touchscreen nur mit Gewalt,
mal kann man den Preis von 8,85 Euro nicht mit abgezählten 8,90 Euro bezahlen,
und wenn man versehentlich die falsche Taste bedient und auf „Abbrechen“ drückt,
dauert dieser Vorgang gefühlte Ewigkeiten. Natürlich wurde der zweite Automat am Bahnhof im
Taunusdorf schon vor Jahren abgebaut, so dass man keine Alternativen hat und
die Schlangen bei Problemen bedrohlich werden.
Überhaupt dieser Bahnhof. Es
gibt auf dem Bahnsteig einen winzigen Verhau, eine Art Dach mit seitlichen Wänden, in den man
sich bei Regen oder Schnee oder Sturm retten könnte. Natürlich ist der in
solchen Fällen immer zu voll und auch voller Raucher. Und Schutz gegen die
Kälte bietet dieser Verhau sowieso nicht. Nein, das ist keine Hilfe, es ist
vielmehr eine weitere Verhöhnung der Fahrgäste. Ein reiner Schönwetterbahnhof also? Nein, selbstverständlich nicht. Denn falls man im Sommer Schatten suchen sollte, findet man den hier auch nicht.
Ja, ja, einige der Probleme sind durchaus höherer Gewalt geschuldet. Jeden
Tag muss die Bahn Tausende von Verbindungen koordinieren, eins hängt am
anderen, und wenn sich jemand vor den Zug wirft oder die Oberleitung bei einem
Unfall zerstört wird oder sonstwas passiert, hat das Auswirkungen auf das ganze System. Das ist zu entschuldigen. Meistens ist es aber offensichtlich reine
Überforderung von Mensch und Material. In anderen Ländern klappt das wohl
deutlich besser.
Das alles gilt nicht nur für den ÖPNV. Zwei längere
Bahnfahrten hatte ich in diesem Jahr, zwei Mal gab es Probleme. Ja, auch hier teilweise höhere
Gewalt, aber eine klare Bestätigung der Tendenz. Und es ist auch nicht so, dass
ich einfach nur Pech hatte. Überall kann man hören, dass die Deutsche Bahn im
Nah- und Fernverkehrt durch und durch dysfunktional ist.
Natürlich sind nicht alle hässlichen Aspekte des
ÖPNV-Pendelns die Schuld der Bahn. Die anderen Fahrgäste tragen verlässlich ihren Teil zum Verdruss bei. Oft sind die Züge schon morgens so verdreckt,
dass man sich fragt, ob das „P“ in ÖPNV vielleicht für Pöbel steht. Dann
die Geruchsbelästigung durch ungewaschene Menschen und solche, die ihre aufdringlich riechenden Mahlzeiten im Zug einnehmen. Die Arschlöcher, die in den
Zug einsteigen, bevor man ausgestiegen ist. Die Flegel, die die Abfahrt einer S-Bahn verhindern, indem sie sich auf den letzten Drücker durch die sich gerade schließende Tür quetschen. Die Deppen, die in großen Trauben
den Verbindungsweg von Bahnsteig zu Bahnsteig versperren und einen wertvolle
Zeit kosten, wenn man mal wieder panisch versucht, den Anschlusszug zu
erreichen. Die Trottel, die im Bahnhof stur auf ihr Smartphone starren und
darauf bauen, dass man sie nicht über den Haufen läuft. (Sollte man eigentlich
viel häufiger machen.) Die Rüpelradfahrer, die noch nicht mal innerhalb
des Bahnhofs vom Rad steigen wollen. Und, und, und. Haben Sie sich irgendwo wiedererkannt? Dann sollten Sie sich in die Ecke stellen und kräftig schämen.
Kurz gesagt, es ist die Hölle. Ihr, die Ihr euch dem ÖPNV anvertraut, lasst alle Hoffnung fahren. Als „Kunde“ des ÖPNV wird man von einer teuflischen Mischung aus Demütigungen, Verhöhnungen und Verarschungen entnervt. Das Pendeln per Zug macht nicht nur keinen Spaß, was Bahnfahren eigentlich sollte, es sorgt im Gegenteil für großen Frust und Verzweiflung und sehr schlechte Laune und, ich schäme mich nicht, das zuzugeben, häufig auch für hemmungslosen Hass, Der alltägliche Wahnsinn treibt einen konsequent in den Irrsinn. Unfehlbar wird der Wunsch übermächtig, alles anzuzünden oder in die Luft zu sprengen. Als Opfer des ÖPNV ist man über kurz oder lang zermürbt und jeglicher Energie beraubt; irgendwann verliert hier jeder seinen Überlebenswillen. Je nach Tag und Stimmung ist man also entweder im Zustand ultimativer Zerstörungslaune oder hoffnungsloser Resignation. Klang das jetzt konfus in der Argumentation? Daran können Sie sehen, was der ÖPNV aus mir gemacht hat.
Mittlerweile zähle ich die Tage, bis ich nicht mehr Bahn fahren muss. Es wird wie das Aufwachen aus einem ganz besonders schrecklichen Albtraum sein. Für mich ist es völlig undenkbar, auf das Auto zu verzichten und ganz auf den ÖPNV umzusteigen. (Wie überstehen das eigentlich die Menschen, die das freiwillig oder gezwungenermaßen nicht nur vorübergehend tun, ohne täglichen Amoklauf? Sind das alles Superhelden? Heilige? Flagellanten? In der Wolle gefärbte Stoiker? Oder Zombies?) Da sind sämtliche Kampagnen, die mich zum Umsteigen bewegen wollen, rausgeschmissenes Geld. Wer mit seinen Kunden so umspringt wie die Bahn, kann mich mal.
Mittlerweile zähle ich die Tage, bis ich nicht mehr Bahn fahren muss. Es wird wie das Aufwachen aus einem ganz besonders schrecklichen Albtraum sein. Für mich ist es völlig undenkbar, auf das Auto zu verzichten und ganz auf den ÖPNV umzusteigen. (Wie überstehen das eigentlich die Menschen, die das freiwillig oder gezwungenermaßen nicht nur vorübergehend tun, ohne täglichen Amoklauf? Sind das alles Superhelden? Heilige? Flagellanten? In der Wolle gefärbte Stoiker? Oder Zombies?) Da sind sämtliche Kampagnen, die mich zum Umsteigen bewegen wollen, rausgeschmissenes Geld. Wer mit seinen Kunden so umspringt wie die Bahn, kann mich mal.