Samstag, 21. Juli 2012

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

mit großem Unverständnis verfolge ich die Debatte über das Kölner Beschneidungsurteil, in der anmaßende Fromme in unheiliger Allianz mit der Politik die Oberhand zu gewinnen droht. Gestatten Sie mir, zu erläutern, warum.

Religionsfreiheit soll höher bewertet als das Recht auf körperliche Unversehrtheit – mit welcher Begründung? Zweifellos ist die Zirkumzision nicht mit der ebenfalls gern religiös begründeten Verstümmelung der weiblichen Genitalien zu vergleichen. Ungefährlich ist der Eingriff dennoch nicht. Darüber hinaus: Wo sind die Grenzen? Soll die weibliche Genitalverstümmelung legalisiert werden? Was, wenn eine Kirche in überraschend aufgefundenen uralten Unterlagen entdeckt, dass es zum korrekten Ausüben der Religion absolut unverzichtbar ist, direkt nach der Geburt die unreine linke Hand zu amputieren?

Religionsfreiheit bedeutet nicht, dass sich die Kirchen alle Freiheiten herausnehmen dürfen. Sie bedeutet, dass jeder glauben darf, was er will; dass er die Religion ausüben kann, die er für die richtige hält. Religionsfreiheit bedeutet aber auch, frei von Religion leben zu dürfen. Niemandem soll eine Religion aufgezwungen werden. Mit der religiös bedingten Beschneidung passiert exakt das. Wer im Alter der Volljährigkeit beschließt, er müsse sich aus Liebe und Hingabe zu seinem Herrgott in welcher Form auch immer verstümmeln, kann das dann jederzeit noch nachholen.

Auf die hysterische Reaktion des Moskauer Rabbiners Pinchas Goldschmidt, der reflexartig einen Holocaust-Vergleich bemühte, will ich an dieser Stelle gar nicht eingehen. Wer so argumentiert, ist nicht satisfaktionsfähig und setzt sich automatisch selbst ins Unrecht. Das gilt auch für das lächerliche Argument „das haben wir schon 4000 Jahre so gemacht und das werden wir auch mindestens weitere 4000 Jahre machen“. Mir ist klar, dass bei dieser Debatte die deutsche Geschichte von 1933 bis 1945 keine unbedeutende Rolle spielt. Aber ein Unrecht kann kein anderes Unrecht legitimieren.

Religion spielt im öffentlichen Leben dieses Landes, das ganz offensichtlich nur theoretisch säkular ist, eine viel zu große Rolle. An den Einzug der Kirchensteuer durch den Staat sowie an Kruzifixe und Religionsunterricht in staatlichen Schulen hat man uns leider schon gewöhnt. Wir sollten den Einfluss der Kirchen nicht noch größer werden lassen. Weisen wir die Frommen in die Schranken, solange es noch möglich ist. Gottesstaaten gibt es auf dieser Welt mehr als genug, nicht nur im islamischen Raum.

Oder sollte es eine Rolle spielen, dass eine Einhaltung des Verbots nicht effektiv zu kontrollieren wäre? Dass Eltern in Zukunft zweifelhafte Hobbyschnippler mit rostigen Obstmessern engagieren würden? Das wäre dann eine Bankrotterklärung des Rechtsstaats.

Sorgen mache ich mir aber auch wegen der Vehemenz, mit der Politiker der meisten Parteien auf die Richter bzw. das Urteil eingeteufelt haben. Meines Wissens sind unsere Politiker Gerichten gegenüber nicht weisungsbefugt. Aus sehr gutem Grund haben wir die Teilung zwischen Legislative, Judikative und Exekutive. Wo soll seitens der Politik als nächstes Druck gemacht, Einfluss ausgeübt werden?

Nicht hilfreich war übrigens auch Ihr Kommentar, ein Verbot der Zirkumzision würde Deutschland zur Komikernation machen. Das ist eine Argumentation, die Ihrer nicht würdig ist.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, in diesem Sinne appelliere ich an Sie, Ihr Vorhaben zu überdenken. Schaffen Sie im Gegenteil mit Ihrer Regierung die Voraussetzungen dafür, dass eine Zirkumzision ohne medizinischen Grund in Zukunft bundesweit als das verurteilt wird, was es ist: eine Körperverletzung.

Mit freundlichen Grüßen

Herr Hallmackenreuter

Montag, 16. Juli 2012

Sensibelchen

Warum sind die Menschen eigentlich immer so furchtbar empfindlich? Man muss doch ehrlich sagen können, dass man jemanden für ein unfähiges, nichtsnutziges, armseliges und hässliches Arschloch hält, ohne dass die betreffende Person gleich tödlich beleidigt ist!